Texte Zu Das Parfum 4d2t4a

DAS PARFUM DIE GESCHICHTE EINES MÖRDERS Patrick Süskind

Eine kreative & analytische Vertiefung

Ein Interview mit der Kindermörderin des 18. Jahrhunderts Der 17. Juli 1738 war ein entscheidender Tag in Ihrem Leben; erzählen Sie doch was damals geschah. An diesen Tag erinnere ich mich nicht gerne. Es war meine fünfte Niederkunft, doch diese erschöpfte mich mehr als die anderen zuvor. Kein Wunder- ich war dabei eine diabolische Kreatur zu gebären. Wie auch die anderen vier liess ich Grenouille, wie er später genannt wurde, unter dem Schlachttisch bei den Fischabfällen liegen, um ihn am Abend ordnungsgemäss zu entsorgen. Danach brach ich zusammen. Als ich wieder zu mir kam, war ich von Gesetzeshütern umringt. Sie fragten mich, woher das Blut auf meiner Kleider stamme. Ich antwortete, von den Fischen und sie gaben sich damit zufrieden. Doch dann, als ich mich bereits in Sicherheit wähnte, meldete sich mein eigenes Fleisch und Blut zu Worte. Es schrie aus Leibeskräften und weckte so die Aufmerksamkeit der Versammelten. Danach wurden Sie verhaftet, des mehrfachen Kindermordes für schuldig befunden und schliesslich hingerichtet. Was trieb Sie dazu Ihre Kinder zu töten? Schauen Sie, ich war gerade mal Mitte zwanzig, also selbst fast noch ein Kind, wie hätte ich da fünf Kinder erziehen sollen? Zudem bin ich nicht verheiratet und jedes meiner Kinder stammt von einem anderen Mann. Sie wissen ja, wie das mit den Männern ist, auf den Genuss des Geschlechtsverkehrs möchten sie nicht verzichten. Wenn es jedoch darum geht Verantwortung zu übernehmen, Alimente zu bezahlen, ist keiner von ihnen mehr da. Meine Eltern waren schon längst tot und die Organisation „Hilfe für Mutter und Kind“ gab es damals auch noch nicht. Ich war absolut auf mich allein gestellt. Was hätten Sie also an meiner Stelle getan? Nun ja, wäre da Verhütung nicht die einfachere und vor allem legalere Methode gewesen, als zuerst die Kinder unter Schmerzen zu gebären, um sie dann zu töten? Verhütung? Ja natürlich, doch einerseits war ich zu dieser Zeit, wie bereits erwähnt sehr jung und zu wenig aufgeklärt und anderseits waren die Verhütungsmittel vom 18. Jahrhundert um einiges teurer und noch lange nicht so sicher wie die heute. Hätte ich zweihundert Jahre später gelebt, wäre es wesentlich einfacher gewesen. Bereuen Sie es, dass Ihre Kinder nie gross geworden sind? Es wäre schön gewesen eine eigene Familie zu haben. Aber das Leben meinte es nicht mit jedem gleich gut. Natürlich ist es keine Entschuldigung für mein Verhalten. Heute bereue ich vieles was ich in meinem vergangenen Leben getan habe. Ich bereue es, meine vier kleinen, süssen Bastarde umgebracht zu haben. Aber eins bereue ich noch viel mehr, dass ich dieses eine bestialische Geschöpf zur Welt gebracht habe. (beginnt zu schlucksen) Ich hätte ihn gleich töten sollen. Kurz nach der Geburt offenbarte sich mir seine Seele. Sie triefte vor grenzenloser Bosheit und Menschenhass. Ich hatte noch nie eine solche Furcht verspürt wie damals. Es war beklemmend und raubte mir die Luft... Entschuldigen Sie mich. Ich danke Ihnen für die ehrlichen Antworten.

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Charakter-Analyse von Grenouille Die fiktive Figur Jean-Baptiste Grenouille kommt am 17. Juli 1738 in Paris zur Welt. Seine Mutter arbeitet als Fischverkäuferin. Einige Wochen nach Grenouilles Geburt wird sie wegen mehrfachen Kindermordes hingerichtet. Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann hätte auch Grenouille, wie seine vier Geschwister, nicht überlebt. Von einem Vater ist nie die Rede, so wächst Grenouille ohne eine Familie auf. Dies war zu seiner Zeit nichts Besonderes und ist auch nicht der Grund, warum er im Roman die Hauptrolle spielt. Nein, Grenouille ist ein Genie. An seinem Äusseren ist nicht viel Auffälliges zu finden. Er wird als unglaublich normal aussehend beschrieben: Nicht besonders hässlich, aber zu hässlich um schön zu sein. „Er war ein wenig klein geraten, seine Haltung war etwas linkisch, das Gesicht ein wenig ausdruckslos.“ (vgl. S. 185) Auf Grund seines verkrüppelten Fusses, hat er einen leicht hinkenden Gang. (S. 27) In seinem Entwicklung ist er lange Zeit hinter den anderen zurückgeblieben, sein erstes Wort spricht er erst mit vier und mit abstrakten Begriffen wie Gott, Freude, Demut behält er sein ganzes Leben lang Schwierigkeiten. (S. 33) Grenouille meidet die Gesellschaft der anderen Menschen. Für ihn sind Geborgenheit, Zuwendung und Zärtlichkeit absolut entbehrlich. Man könnte sagen, dass Grenouille kein soziales Wesen ist. Sein Intelligenzquotient liegt unter dem Durchschnitt seiner Zeitgenossen; seine Fähigkeiten begrenzen sich einzig und alleine auf seinen ausserordentlichen Geruchsinn. Diese Fähigkeit bleibt den Menschen in seiner Umgebung allerdings verborgen. Einzig Madame Gaillard, bei der er die meiste Zeit seiner Kindheit verbringt, fällt auf, dass Grenouille gewissermassen ungewöhnliche, wenn nicht gerade zu übernatürliche Gaben besitzt, wie durch Wände hindurch zu sehen oder in die Zukunft zu blicken. (S. 36) Da sie aber nie auf den Gedanken gekommen wäre, dass Grenouille die Dinge nicht durch die Wände hindurch sieht sondern riecht, wird er ihr unheimlich. Was sie allerdings nicht weiss, ist, da sie nicht riechen kann, dass Grenouille zu allem auch noch keinen Eigengeruch besitzt. Wegen des fehlenden Geruches wird Grenouille bereits als Baby, bevor er überhaupt etwas Schlechtes hätte tun können, zum Inbegriff des Bösen. (S. 14) Die Amme bezeichnet Grenouille als vom Teufel besessen und Pater Terrier geht sogar noch weiter. Er sieht in ihm den Teufel persönlich. (S. 24) Alle Menschen in Grenouilles Nähe spüren etwas Unheimliches, Feindseliges von ihm ausgehen. Allerdings können sie nicht erklären, woran es eigentlich liegt, denn objektiv gesehen gibt es nichts Anstössiges an ihm. (Besonders zum Ausdruck kommt dies auf der Seite 30.) Die anderen Kinder bei Madame Gaillard fühlen sich von ihm bedroht, ihre Angst führt soweit, dass sie versuchen ihn umzubringen. Grenouille ist jedoch nicht zu töten, wegen seiner Resistenz wird er im Buch des Öfteren mit einem Zeck verglichen. (S. 29) Aber nicht nur deswegen ist der Vergleich treffend. Wie ein Zeck, der Mensch und Tier das Blut aussaugt und Krankheiten verbreitet, saugt Grenouille ihnen den Geruch aus. Alle Menschen, mit denen Grenouille zu tun gehabt hat, sterben kurze Zeit, nachdem er sie verlässt. Grenouille unterscheidet sich ganz klar von den anderen Menschen. Wie bereits erwähnt ist er extrem einseitig begabt und nimmt deshalb gewisse animalische Züge an. Instinktiv lässt er sich von seinem Geruchsinn leiten. Ungeachtet menschlicher Moralvorstellungen setzt er alles Seite 3

daran, seinen Trieben gerecht zu werden. (S. 56) Andererseits macht ihn sein Geruchsinn gerade zum Genie und stellt ihn über die Menschen. So richtig eindrücklich verdeutlicht wird seine Genialität erstmals, als er bei Baldini, ohne irgendwelche Vorkenntnisse und Erfahrungen mit Duftstoffen, das Parfum Amor und Psyche nachmischt. Baldini, als geübter Parfumeur, hat zuvor Stunden damit zugebracht, nur um einzelnen Bestandteile zu entschlüsseln. (S. 104) Grenouille ist dazu fähig, verschiedene Gerüche in seinem Kopf zu speichern und miteinander zu kombinieren, deswegen gelingt es ihm später das perfekte Parfum zu kreieren und damit die Menschen zu betören. (S.300) An Grenouilles Beispiel zeigt sich einmal mehr, wie fein die Übergänge zwischen Genialität und Wahnsinn sind. Sein unwiderstehliches Parfum setzt sich nämlich aus verschiedenen Duftessenzen schöner Frauen zusammen. An diese kommt er nur heran, indem er die Frauen umbringt. Grenouille wird wegen seiner Genialität zum Mörder. (S.275) Grenouille verspürt wegen seiner Taten keinerlei Gewissensbisse. Ihn interessieren nur die Gerüche und er sieht sich als Herrscher über sie. Paradox ist nur, dass er selbst, die Gottheit der Gerüche, keinen eigenen Geruch besitzt und ist somit unvollkommen ist. Eine unvollkommene Gottheit? Wohl kaum. Grenouille ist vielmehr als Gegenstück von Jesus zu interpretieren. Jesus, der ohne Schuld auf die Erde gekommen ist, um das Leben zu bringen verkörpert die Liebe. Durch ihn sind viele Wunder iert und er hat eine unglaubliche Anziehung auf die Menschen ausgeübt. Es hat jedoch auch Menschen gegeben, die eifersüchtig gewesen sind und Angst gehabt haben ihre Macht zu verlieren, deswegen ist Jesus gekreuzigt worden. Die Menschen haben seine Unschuld verleugnet, ihn nicht als Gottes Sohn anerkannt. Obwohl die Menschen ihm Unrecht angetan haben, liebt er sie. Durch den Tod hat Jesus seinen Auftrag erfüllt. Grenouille seinerseits ist ohne Geruch zur Welt gekommen. Er nur fähig zu hassen. (S. 306) Er verbreitet Tod und Schrecken. Wo er hin kommt fühlen die Menschen etwas Kaltes, Feindseliges von ihm ausgehen. (S. 24) Seine „Wunder“, die er vollbringt, wirken auf die Menschen angsteinflössend, abstossend und werden negativ gewertet. Schlussendlich schafft er es mit seinem Parfum die Menschen zu blenden, sodass sie ihn für unschuldig halten und ihn anstatt hinzurichten als eine Art Gottheit vergöttern. (S. 300) Die Menschen lieben ihn, doch er hasst sie. Am Ende wählt Grenouille den Freitod, denn er muss sich eingestehen, dass er versagt hat. Alles in Allem: Grenouille besitzt einen Charakter mit Ecken und Kanten. Sein ganzes Wesen ist eine einzige Paradoxie. Einerseits macht er es einem mit seiner Kaltblütigkeit wirklich schwierig ihn sympathisch zu finden. Auf der anderen Seite wird der Leser gewissermassen dazu genötigt, sein Urteil über ihn etwas zu mildern. Die Tatsache, dass er in seinem ganzen Leben nie echte Liebe erfahren hat, ist mitleiderregend. Dazu kommt, dass Grenouille sozusagen aus einem höheren Motiv gehandelt hat. Seine Schöpferkraft ist unumstritten, deshalb muss ihm für sein Schaffen gebührende Bewunderung eingeräumt werden. Trotz allem ist und bleibt er für mich der Antagonist.

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Tagebucheintrag Grenouilles Liebe Tagebuch, Eigentlisch ist es völlig überflussig, dass isch ihnen schreibe, und entspricht auch garnischt meiner Natur. Isch bin kein Freund der Worte. Wissen sie es gibt sehr viele Wörter, die absolument unnotwenig sind. Was wollen sie mit einem Gewissen anfangen? Oder was ist Demut und Bescheidenheit? So was brausch isch nischt. Isch bin ein Genie. Bon, isch gebe es zu, isch abe etwas untergetrieben, isch bin mehr als ein Genie, isch bin ein Gott. Ein Gott der Gerüche. Da aben sie den Grund, warum isch die Sprache nischt mag. Sie ist zu lückenhaft. Sie reischt nicht einmal aus um die Hälfte aller Hauptgerüche auf dieser Erde zu beschreiben. Dazu kommen noch die vielen Variationen und Mischungen der Düfte. Isch weiss garnischt, warum isch meine wertvolle Zeit damit vergeude, wo isch doch an einem wischtigen Projekt abeite. Es ist schlicht und eifach nicht möglisch mein Reich zu beschreiben. Wissen sie, eine normale Mensch denkt Erde ist so : Pflanzen grün, Himmel blau, Blumen bunt, Steine grau etc. Er nimmt die Welt mit seinen - isch weiss nicht wie man sagt in Deutsch, wahr doch das ist betrügerisch, nur der Duft kann ihnen sagen, wie die Welt wirklisch ist. Sie ist nämlich reich an viele Facetten. Aber die Menschen sind dumm und denken ich bin dumm nur, weil isch nicht mein Leben mit Bücher schreiben, Bilder malen oder sonst irgend etwas verbringe, was sie als Kunst bezeichnen, Aber meinen grossen Tag wird kommen. Ich werde ihnen zeigen was es heisst ein Künstler zu sein. Schreiben, lesen philosophieren, malen all dies ist nichts, denn es hat keinen Duft. Isch sage ihnen jeden Tag, wenn isch mich in der Parfumerie aufhalte, denke isch mir, arme kleine Würstschen, haben keine Ahnung von Kunst. Sie denken diese unmöglischen Duftkombination, die sie teurer verkaufen, würden gut riechen, doch mein liebes Tagebuch isch kann ihnen versichern, das tun sie nischt. Nein, sie stinken erbärmlich, eigentlisch wenn isch mich so recht hintersinne, dann ist nicht einmal dieser abschätzige Ausdrück genügend stark, um meine Verabscheuung darzulegen. Es gibt keinen Wort, dass diesen abartigen Mief annähernd beschreibt. Nun für misch tut es vielleischt etwa riechen ungefähr so, wie für einen normalen Menschen seine eigene Scheisse. Verzeihen sie misch für diese vulgären Begriff. Aber es ist so. Isch weiss auch nischt wirum die Meschen, so viel Wert auf ihr Aussehen legen, jedosch ihr Geruch völlig vernachlässigen. Der Gerusch ist, das elementarste. Isch leide, wenn isch den Menschen auf der Strass mit schlechtem Parfum über den Weg begehe. Isch leide gleisch, wie isch gelitten abe, als isch auf Fischmarkt geboren wurde. Fischmarkt ist noch schlimmer als Parfumerie sag isch ihnen. Asch ja isch habe vergessen zu sagen, isch bin ein Problem Kind, meine mère, hat mir nicht wollen aben und so isch bin gekommen zu eine Pflegefamilie und dann zu noch eine und noch eine. Anderen Kinder aben mich nicht gern geabt, wollten mich sterben. Hat aber nicht geklappt und so abe ich weiter gelebt, lebe immer noch. Aber die Frau bei der ich gewohnt, habe wollte misch nacher ausch nicht mehr. Warum weiss isch nicht. Naja dann bin isch gekommen zu einem Gerber. War auch übel da. Doch dann konnte isch misch in eine Parfumerie einschleichen. Hab den alten Herrn total in den Schatten gestellt. Aber eigentlisch wollte isch nur lernen wie man Düfte einfangen kann. Habe dann fast die Kriese gemacht, weil isch nicht alle Düfte dingfest maschen konnte. Isch sage ihnen, dass war eine warhaftige Katastrophe für misch gewesen. Mein Ziel war nischt eifasch nur so banale Parfums herzustellen wie die Menschen. Sondern das eine. Wenn sie das besitzen, dann können sie alle anderen vergesse. Seite 5

Natürlisch besteht so ein Parfum, das Höchste der Erde nischt einfach nur aus langweiligen Kräutern sondern aus echten Menschen. Nein, nein, dass ist nichts abstruses. Das gibt den perfekten Duft. Ja, isch habe vorhin gesagt, dass die Menschen nischt gut rieschen. Das ist auf die meisten zu treffend, aber nischt auf alle. Es gibt da die grossen Ausnahmen, Frauen. Isch sage Ihnen, die riechen, himmlisch! Merveilleusement! An diesem Projekt arbeite isch gerade zurzeit. Isch gehe unheimlisch auf in dieser Arbeit, dass ist etwas was mir Ehre bereitet. Es ist mein Lebesziel, ohne diese Arbeit hätte mein ganzes Leben zuvor keinen Sinn gemacht. Es ist meine Bestimmung. Die Menschen mit diesem Parfum zu beherrschen. Ich freue misch so auf diesen Tag. Sie werden misch Lieben!

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Tonfetischist und Geruchsjunkie Ein Vergleich zweier Genies Der eine besitzt ein ausgeprägtes Gehör, der andere einen extremen Geruchssinn. Der eine vermag mit seiner göttlichen Musik die Leute zu verzaubern und der andere betört die Menschen mit einem unwiderstehlichen Parfum. Der eine hat im neunzehnten Jahrhundert gelebt, der andere im achtzehnten. Die Rede ist von zwei fiktiven Hauptfiguren, Elias Adler aus Robert Schneiders Roman „Schlafes Bruder“ und Jean-Baptiste Grenouille aus „Das Parfum- Die Geschichte eines Mörders“ von Patrick Süskind. Die Rede ist von zwei Genies. Elias Adler bittet seinen Onkel, ihm das Orgelnspielen beizubringen, doch der Onkel beschliesst dem Jungen keine einzige Note zu lehren. Aus Angst, dass Elias ihm sein Amt als Kirchenorganist streitig macht, verschliesst er den Zugang zur Orgelempore und versteckt den Schlüssel immer an einem anderen Ort. Für Elias ist dies jedoch kein Hindernis, dank seinen fabelhaften Ohren hört er, wohin der Schlüssel gelegt wird. Abends versteckt er sich in der Kirche und wartet, bis der Mesner die Kirche verschliesst. Danach setzt er sich an die Orgel. Er komponiert - ohne Grundkenntnisse der Harmonielehre. Elias tut es nach seinen eigenen Regeln, denn in seinem Kopf sind die Melodien schon längt vorhanden bevor seine Finger, geleitet vom Gehör, die richtigen Tasten finden. Genau so macht es Grenouille beim „Komponieren“ seiner Parfums. Ohne irgendwelche Formeln zu gebrauchen stellt er die wunderbarsten Duftkombinationen her. Er kombiniert die verschiedenen Düfte bereits zuvor in seinem Innern. Wie Elias lässt sich er sich nicht am Erreichen seiner Pläne hindern. Als Richis versucht seine Tochter, die Krönung von Grenouilles Parfum, vor ihm zu verstecken und antäuscht, in Richtung Nordwesten zu gehen, findet er sie dank seines Geruchsinns, in der entgegengesetzten Richtung. Wenn Elias in seinem Innern kreativ tätig ist, vergisst er alles um ihn herum; er ergötzt sich an seiner Musik. Grenouille seinerseits schwelgt jahrelang in seinem inneren Geruchsuniversum. Er kann dabei nie genug davon bekommen verschiedenen Düfte hinaufzubeschwören, die in ihm Erregungszustände auslösen. Erst nach sieben Jahren macht er sich auf, um das perfekte Parfum herzustellen. Die Reaktion der Menschen auf sein Parfum ist Liebe. Um diese Wirkung zu erreichen hat er ausschliesslich Gerüche von schönen jungen Frauen verwendet. Auch Elias Adlers virtuose Orgelspiel löst in seinen Zuhörer Emotionen aus, denen sie sich nicht entziehen können. Je nach dem in welchen Zusammenhang Elias die Harmonien stellt, wecken sie in sein Publikum Todesangst, Kindesfreude oder sogar erotische Empfindungen. Trotz dieser vielen Gemeinsamkeiten gibt es wichtige Unterschiede zwischen Grenouille und Elias. Elias fühlt und denkt wie alle anderen Menschen auch. Er empfindet bei seiner Musik genau dasselbe wie seine Zuhörer. Grenouilles Parfum hat jedoch nur einen Einfluss auf die anderen Menschen, nicht auf ihn selbst. Als Schöpfer ist er immun dagegen. Narzisstisch veranlagt, fühlt sich Grenouille über alles erhaben, ja, er sieht sich selbst als Gottheit. Adler scheint trotz seiner Genialität auf dem Boden geblieben zu sein. Aus diesem Grund geniesst er von den Lesern ganz klar das Ansehen eines Protagonisten, währen Grenouille wegen seiner kaltblütigen Morde an Frauen die Rolle des Antagonisten innehat.

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Ominöser Gerbergeselle gefasst Nun können die Grasser Bürger endlich wieder ruhig schlafen. Dank einem Hinweis aus der Bevölkerung konnte die Polizei den 25-fachen Mädchenmörder zehn Tage nach der Ermordung von Laure Richis festnehmen. GRASSE- Nachdem die Polizei beinahe ein Jahr erfolglos nach dem Mädchenmörder gefahndet hatte, konnte dieser, vorgestern, innert kürzester Zeit gefasst werden. Ausschlaggebend für die Festnahme war ein Hinweis aus der Reihe der Stadtwache: Am Mittag jenes unheilvollen Tages habe ein Individuum, auf welches die steckbriefliche Beschreibung ziemlich gut e, nach dem Weg gefragt, auf welchem der zweite Konsul am Morgen die Stadt verlassen habe. Durch Zufall sah der

„Ich habe sie gebraucht“

damals diensthabende Wächter, die Person wieder und meldete den Vorfall der Polizei. Parfumeur statt Gerber Der Verhaftete konnte sofort als den „Gerbergeselle“ identifiziert werden, der sich beim Mord an Laure Richis durch sein plötzliches Verschwinden vom Tatort verdächtig gemacht hatte. Zudem fand man die Tatwaffe, die Kleider und Haare der Ermordeten in der Werkstatt, in welcher der gelernte Parfumeur festgenommen wurde. Die beiden Gerbergesellen Opio und Gourdon, die bisher als Hauptverdächtige galten und die man trotz Alibi festgehalten hatte, wurden umgehend entlassen und mit einer Geldsumme entschädigt.

Motiv bleibt ungeklärt Der 28-jährige Mörder hat die Taten bereits gestanden, dennoch bleibt sein Motiv weiterhin unklar. Er habe sie gebraucht und deshalb erschlagen. Die Frage, wozu er sie gebraucht hatte, liess er trotz Folter unbeantwortet. Ein psychologisches Gutachten weist auf eine Geisteskrankheit des Straftäters hin. Trotzdem wird auf einen verminderten Strafvollzug verzichtet werden. Das Gericht hat entschieden, das Verfahren ohne weitere Vernehmungen möglichst bald zu beendigen. Möglicherweise Komplizen Laut der Polizei ist es nicht ausgeschlossen, dass die beiden Besitzer des Ateliers von den Leichen unter ihnen gewusst oder sich sogar aktiv am Fall beteiligt hatten. Momentan befinden sich beide in Untersuchungshaft.

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ZUSAMMENFASSUNG DES FALLS GRASSER MÄDCHENMORDER Mai 1765: Beginn einer Reihe von Morden an schönen jungen Frauen. Ende September: 24 Mädchen fallen dem Mörder zum Opfer. Polizei tappt im Dunkeln. Panikausbruch unter der Bevölkerung führt zu weiteren Toten. Oktober: Morde hören auf. Die Lage entspannt sich März 1766: Erneuter Schock: Laure Richis wird tot aufgefunden. Erstmals Personenbeschreibung vorhanden, diese führt zur Verhaftung zweier unschuldiger Gerbergesellen und schliesslich zur Festnahme des mutmasslichen Täters

Interpretation der Schlussszene Jean-Baptiste Grenouille hat es sich in den Kopf gesetzt ein Parfum mit einem übermenschlichen Engelsduft zu kreieren. Die Menschen sollten ihn lieben. Für sein Vorhaben benötigt er Gerüche von Frauen und an die kommt er nur heran, in dem er sie tötet. Deshalb ist sein Streben ist äusserst prekär. Es gelingt ihm aber dennoch das Parfum zu vollenden und auch die gewünschte Wirkung bleibt nicht aus. Die Menschen lieben ihn. Doch hat er damit wirklich seine Ziele erreicht und wird seine tiefste Sehnsucht gestillt? Zu Beginn geniesst es Grenouille von der Menge gefeiert zu werden. Er ist stolz auf sich, dass er seinen Erfolg niemandem zu verdanken hat ausser sich selbst, weder seinem Vater noch seiner Mutter und schon gar nicht einem Gott. Grenouille fühlt sich über alles erhaben und sieht sich als sein eigener Gott. Mitten in seinem Triumph, auf den er zwei Jahre lang hingearbeitet hat, wird ihm jedoch wieder bewusst, wie sehr er die Menschen verabscheut. Der scheinbare Erfolg wird ihm zum Alptraum. Grenouille graust es vor der Liebe, mit der er überschüttet wird, denn ihm wird bewusst, dass sie ihn nicht seiner selbst willen lieben, sondern nur seine „Duftmaske“ wegen. Wie schon sein ganzes Leben lang, wird Grenouille auch jetzt nicht als Mensch wahrgenommen. Er tritt lediglich als eine Art „Allegorie“ auf. Früher stand Grenouille mit seinem fehlenden Geruch und seiner übernatürlichen Fähigkeit Dinge „vorauszusehen“ für das Böse, jetzt steht Grenouille für etwas Göttliches. So sehr Grenouille auch seinen Hass zum Ausdruck bringt, die Menschen können seine Verachtung nicht erwidern, ja nicht einmal wahrnehmen, da sie nur auf seinen unwiderstehlichen Geruch fixiert sind. Einst ist es Grenouilles Wunsch gewesen die Menschen zu beherrschen, wie er sein inneres Universum der Düfte beherrscht hatte, doch nun da er den Schlüssel dazu in der Hand hält, sieht er ein, dass ihm das Parfum, die grösste Macht der Welt, erschaffen durch ihn, nichts bringt. Es kann ihm nicht zu seinen Eigengeruch, nicht zu einer Persönlichkeit verhelfen. Da Grenouille die Welt über Gerüche definiert, ist er wegen des fehlenden Duftes der einzige, der nicht definiert ist und somit existiert er nicht. Als er dies begreift, resigniert er. Anstatt zu versuchen seine Welt neu zu definieren, kehrt er an den Ort seiner Geburt zurück und lässt sich auffressen. So schliesst sich der Kreislauf seines Lebens. Danach war es so, als ob er nie existiert hätte und nach seiner Definition hat er dies eigentlich auch nie. Die Gleichung geht auf. Zusammenfassend bleibt nur noch zu sagen, dass Grenouille zwar sein bewusstes Ziel die Erschaffung des Parfums, mit der geplanten Wirkung erreicht, doch zum Schluss muss er die schmerzhafte Erfahrung machen, dass er sein ganzes Leben auf ein falsches Ziel ausgerichtet hat, ein Ziel, dessen Erreichen ihn letzten Endes nicht befriedigt und ihm nur bestätigt, was er seit der Zeit in der Höhle geahnt hat, dass er an seinem fehlenden Geruch scheitern wird. „Und mochte er auch vor der Welt durch sein Parfum erscheinen als ein Gott- wenn er sich selbst nicht riechen konnte und deshalb niemals wüsste, wer er sei, so pfiff er drauf, auf die Welt, auf sich selbst, auf sein Parfum.“ Jean-Baptiste Grenouille

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Brief vom Himmel Himmel, 24. Juni 1767 Sehr geehrter Jean-Baptiste Grenouille, Sie werden sich wahrscheinlich wundern, dass Sie einen Brief von mir erhalten und ich muss gestehen, da haben Sie gewissermassen auch ein Recht dazu. Es geschieht bestimmt nicht jeden Tag, dass man einen Brief einer Verstorbenen erhält. Aber der Umstand erlaubt es mir Ihnen zu schreiben. Ich leide mit Ihnen, dass Sie, diese schmerzhafte Erfahrung machen mussten, man hätte sie Ihnen gerne erlassen. Aber Sie hielten sich für etwas Höheres – ja, Sie dachten, sie könnten sich über den, der Ihnen die Gabe, Ihren aussergewöhnlichen Geruchsinn geschenkt hat, hinwegsetzten. Sie haben eigenmächtig gehandelt, haben über Dinge verfügt, wessen Sie keinerlei Befugnisse besitzen. Über Leben und Tod, über mein Leben und meinen Tod. Nun fragen Sie sich sicher, warum denn niemand eingegriffen hatte. Der Grund ist einfach. Ein Vater kann seine Kinder nicht immer von allen Gefahren fern halten, denn es muss seine eigenen Erfahrungen machen, muss lernen auf eigenen Füssen zu stehen. Es wird für Sie schwierig sein, dies zu verstehen, da Sie ohne Vater aufgewachsen sind: Aber glauben Sie mir: Einer hat über Ihnen gewacht, hat Sie in jeder Phase ihres Lebens gesehen: Als Ihre Mutter Sie unter dem Schlachttisch gebar und Sie da sterben lassen wollte, hat er Menschen zu Ihnen geschickt, die bereit gewesen waren Ihre Schreie zu hören. Bei Madame Gaillard, wollten die Kinder Sie umbringen, doch sie trauten Sie nicht, Sie anzufassen, da sie fühlten, dass Sie anders sind. Er hat Sie mit einer unendlich wertvollen Gabe gesegnet, nur haben Sie sie bisher nie richtig verwendet. Sie haben sich vom Bösen leiten lassen. Noch ist es nicht zu spät. Solange Sie auf der Erde leben, können Sie nochmals von vorne beginnen. Sie können das Blatt wenden. Geben Sie nicht auf, kämpfen Sie, mein Tod soll nicht umsonst gewesen sein. Aus Bösem kann noch Gutes werden. Ich weiss, dass sich in Ihrem Innern einen grossen Schmerz und eine Leere befindet. Lassen Sie ihre Vergangenheit, Ihren Schmerz hinter sich und blicken Sie zuversichtlich in die Zukunft. Gehen Sie nach Paris, doch gehen Sie nicht wie geplant, um das Parfum und Ihr Leben zu verschwenden. Nein, Jean-Baptiste Grenouille, Sie haben einen Auftrag zu erfüllen! Das Parfum, das Sie erstellt haben, dessen ich Teil bin, ist unvollständig, Sie haben eine wichtige Komponente ausser Acht gelassen, aber ich weiss, dass Sie den fehlenden Teil finden werden. Verschwenden Sie also keinen weiteren Tropfen, denn es ist der Schlüssel zum Frieden für Sie und alle Menschen in Ihrer Umgebung. Es ist der Schlüssel zu den verschlossenen Herzen der Menschen. Sie werden sie erfüllt sein von der Liebe. Nein, ich spreche nicht von diesem Berechnenden, das die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse ins Zentrum stellt. Ich spreche nicht von dem, was Ihr unvollständiges Parfum zu Ausdruck gebracht hat. Dies ist keine Liebe. Denn die Liebe verletzt nicht den Anstand und sucht nicht den eigenen Vorteil.1 Ich spreche von der wahren selbstlosen Liebe, nach der sich jeder Mensch sehnt. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass es Ihnen gelingt Ihren Auftrag zu erfüllen und Sie die Liebe erkennen können, die er für Sie bereit hält. Ihre Laure

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Alternatives Ende (S. 299) Er trug einen blauen Rock, ein weisses Hemd, weisse Seidenstrümpfe und Schnallenschuhe: Er war nicht gefesselt. Niemand führte ihn am Arm. Er entstieg der Kutsche wie ein freier Mann. Ein erwartungsvolles Raunen ging durch die Menschenmenge auf dem Cours. Wie lange hatten sie auf diesen schaurigen Augenblick gewartet. Endlich würde ihre Rachelust gestillt werden. Ihre Herzen waren voller Hass und sie wünschten sich nichts sehnlicher, als diese bestialische Gestalt mit zerschmetterten Knochen am Kreuz vor sich hinsiechen, zu sehen. Apathisch schritt Grenouille auf den Henkersknecht zu. Plötzlich geschah es: Wie aus dem Nichts tauchte ein gut gekleideter Herr mit verhülltem Gesicht auf. Und ehe die Menge begriff, was geschah, war er auch wieder verschwunden. Eben so spurlos wie er gekommen war. Mit ihm Grenouille. Niemand dachte daran die Verfolgung aufzunehmen. Die Leute waren gekommen um eine Hinrichtung zu sehen und die wollten sie nun haben – um jeden Preis. Wie eine Horde tollwütig gewordener Wölfe stürzten sie sich auf die Männer in Uniform. Die Obrigkeit, die durch ihre Fahrlässigkeit dem Mädchenmörder zur Flucht verholfen hatte, konnte nichts gegen die aufgebrachte Menge ausrichten. Eine monatelang aufgestaute Angst und Verbitterung prasselte wolkenbruchartig auf sie ein. Der Tumult dauerte drei Tage. In dieser Zeit wurden alle Angehörigen der Polizei hingerichtet, ebenso die hohen Männer der Stadt. Doch einer blieb unauffindbar. Antoine Richis.

Vierter Teil 51 Während die Angehörigen ihre Toten beweinten, näherte sich eine Kutsche der Grenze zur Schweiz. Die Pferde wurden vom Kutscher zur Höchstgeschwindigkeit angetrieben. Der vierte Tag in Eile, gehüllt in Schweigen. Es war das erste Mal, dass er sich zu solch einer überstürzten Handlung hatte hinreissen lassen. Er, Antoine Richis, der reichste Mann der Stadt und zweiter Konsul von Grasse, hatte den 25-fachen Mädchenmörder, den Mörder seiner Tochter entführt. Er hatte zwar rasch gehandelt, jedoch mit klarem Hintergedanken. Doch nun, da er bereits vier Tage unterwegs war, ohne ein Wort mit Grenouille gewechselt zu haben, regten sich erste Zweifel in ihm: Was wäre, wenn er sich in Grenouille getäuscht hätte? Oder wenn sie von der Polizei angehalten würden? Noch befanden sie sich auf französischem Boden. War er nicht gerade dabei sein Ruf, seinen Reichtum, ja, seine Existenz aufs Spiel zu setzten ohne überhaupt zu wissen wozu? Auf der anderen Seite, was hatte er überhaupt noch zu verlieren, Laure war begraben und mit ihr seine Pläne. Seine Gedankengänge wurden jäh unterbrochen. „Was willst du?“ Erschrocken zuckte Richis zusammen. Diese Stimme. Es kam ihm vor, als ob er sie schon einmal gehört hätte. Die Erinnerung war jedoch zu schwach um sie zuzuordnen. Grenouille blickte ihn lauernd an. Dieser Mann hielt sich wohl für ganz schlau. Er wisse, dass er kein geistesgestörter Mörder sei, wie das Gericht behauptet hatte... Was für eine überflüssige Feststellung. Natürlich hatte er nicht einfach wahllos gemordet. Jedes seiner Opfer hatte er feinsinnig ausgewählt. Tagelang hatte er die verschieden Gerüche ergründet, Seite 11

den Duft der einen Frau mit dem der anderen kombiniert. Er hatte gewusst eine falsche Note konnte das gesamte Parfum verderben. Trotzdem hatte er sich nichts zu Schulden kommen lassen. Keinen einzigen Tropfen vergeudet, kein Mädchenleben mehr verschwendet als er für sein vollkommenes Parfum gebraucht hätte. Das Rezept war schon vollständig in seinem Kopf, als er den ersten Duft einfing. Beim Gedanken an sein Parfum wurde Grenouille verzückt hinüber in seine Duftwelt getragen. In seinem Blick lag etwas Apathisches, welches Richis auf unnatürliche Weise gänzlich vertraut war, er aber dennoch nicht einordnen konnte. Woher kannte er dies nur? Sanft rüttelte er ihn am Arm, um Grenouille zum Beantworten seiner Frage, wozu er die Mädchen gebraucht hätte, zu bewegen. Als Richis sich zu ihm herüber lehnte, drang sich die Wahrnehmung eines Duftes in sein Unterbewusstsein. Abrupt wurde er aus seinem Reich gerissen, diese unbeschreibliche Furcht überkam ihn wieder. Der Duft, er war viel zu dezent für einen Mann, der sich seit vier Tagen nicht mehr gewaschen hatte und er hatte ihn erst jetzt bemerkt. Er, der Mann mit der besten Nase der ganzen Welt, hatte diesen Richis erst nach vier Tagen gerochen, erst als er sich zu ihm hinüberbeugte. Und da wussten sie es beide in demselben Augenblick: Richis/ Grenouille war sein Vater/Sohn. Epilog Vater und Sohn sassen zufrieden im Garten von Versailles. Sie hatten es erreicht, die ganze Welt lag ihnen zu Füssen. Doch das Glück hielt nicht lange, denn es war, als würden sie mit dem Erreichen ihrer Ziele an den Anfang zurückkehren. Die Vergangenheit holte sie ein. Richis quälte sich mit der Schuld, dass er solange nichts von seinem Sohn gewusst hatte. Wie viel hatte der arme Junge wegen ihm durchmachen müssen? Er erinnerte sich nur zu gut an die Fischhändlerin, mit der er auf seiner Geschäftsreise das Bett geteilt hatte. Am anderen Morgen war er gegangen, ohne sich Gedanken zu machen. Er hatte sie alleine gelassen und mit ihr seinen Sohn, sein Fleisch, sein Blut. Ihn ihrer Verzweiflung hatte sie versucht Grenouille umzubringen und hatte sich damit selbst an den Galgen gebracht. Er hätte es verhindern können. Alles hätte er verhindern können. Aber er war egoistisch gewesen. Er hatte die ganze Zeit nur an sich, an sein Vergnügen und an seine Pläne gedacht. Um sie zu erreichen, war im jedes Mittel recht gewesen. Seiner Tochter war er kein guter Vater gewesen, er hatte über sie bestimmt, ihr keinen eigenen Willen gelassen. Er hatte sie benutzt, wie alle anderen auch. Grenouille hatte ihm einen Strich durch seine Rechnung gemacht, doch selbst die Tatsache, dass Grenouille seine Tochter umgebracht hatte, war kein Hindernis für ihn gewesen, Grenouille für sich nützlich zu machen. Er schämte sich für den Hintergedanken, mit dem er Grenouille damals befreit hatte. Natürlich war er zum heutigen Zeitpunkt froh, dass er es getan hatte, denn er liebte seinen Sohn wirklich. Doch damals war es nichts anderes als ein Verrat an Laure gewesen. Grenouille seinerseits hatte einen Vater gefunden; seinen Vater, den er zwar nie gesucht hatte, weil er sich auch nie bewusst gewesen war, was seine Abwesenheit für eine Leere in ihm hinterlassen hatte. Doch jetzt, da er ihn gefunden hatte, brach der Staudamm, der den Fluss seiner Gefühle blockiert hatte zusammen. Sein Herz taute nach einer langen Eiszeit auf. Seite 12

Plötzlich war er für Liebe und Zuneigung empfänglich. Sein Gewissen fing an sich zu regen. In der Nacht konnte er nicht mehr schlafen. Vor seinem inneren Auge sah er immer wieder die wunderschönen Gesichter, der von ihm ermordeten Frauen. Das seiner Halbschwester tauchte am häufigsten auf. Die Schuld lastete tonnenschwer auf seinen Schultern. Die Menschen hatte er mit dem Parfum hinters Licht führen können, doch einer konnte er nicht täuschen, dieser eine, über den er sich versucht hatte hinweg zu setzen, dessen Name er immer noch nur mit Mühe aussprechen konnte. Plötzlich begriff er, früher hatte er sich von seiner Nase leiten lassen, doch er musste lernen, sich von seinem Gewissen, seiner Seele, seinem Herz leiten zulassen.

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Romantische Bezüge im postmodernen Parfum Wie bei den meisten Büchern der Postmoderne lassen sich auch im Parfum von Patrick Süsskind Bezüge zu früheren Zeitepochen und deren Werke herstellen, die Gründe dafür sind, dass Intertextualität und die Karnevalisierung wichtige Merkmale der Postmoderne sind. Im Fall dieses Romans sind vorwiegend Tendenzen und Motive der Romantik zu finden, welche an Hand des Beginns des Zweiten Teils(S:147-176) erläutern möchte. Im Zentrum des Romans, wie auch im Zentrum der Romantik, steht die Selbstreflexion. Auf der Suche nach seinem Selbst wird Grenouille, Tage lang wandernd, von seinem Geruchsinn in die Einöde geführt. Das Wandermotiv aus der Romantik eignet sich hier ausserordentlich um den langwierigen Prozess zu verdeutlichen. Dort am Ursprung, in der Natur, kann er endlich ungestört von dem „Gestank“ der Menschen in sich gehen. Zur Zeit der Industrialisierung sehnten sich die Menschen ebenfalls nach der Reinheit der unberührten Natur. Wie Grenouille sich von den Gerüchen der Menschen eingeengt fühlt, war der Lärm der Maschinen für die Menschen damals erdrückend. Zudem hatten die Romantiker Angst ihre Individualität durch die Maschinen zu verlieren. Aus diesem Grund ist es nicht erstaunlich, dass sie in Versuchung kamen die Individualität und das damit verbundene Unterbewusstsein eines Menschen überzubetonen. Selbstverständlich wird dieser wichtige Aspekt der Romantik, die Auslebung der Fantasie und des Unterbewussten im Roman gebührend thematisiert: Über mehrere Kapitel hinweg wird geschildert, wie Grenouille in seinem Innern Gerüche heraufbeschwört und damit auch einen tiefen Hass, in dem er unendliche Befriedigung findet. Er errichtet in seinem Innern ein Geruchsuniversum, über das er wie eine Gottheit herrscht. Doch dann wird ihm in einem Traum bewusst, dass er, der Gott der Düfte, selbst keinen Eigengeruch besitzt. Mit dieser Paradoxie verdeutlicht Süskind die Ambivalenz von Grenouille. Er, der grosse Grenouille, die beste Nase der Welt, besitzt keinen Eigengeruch. Er, der seine Welt über die Gerüche definiert. Der fehlender Eigengeruch ist eine Anlehnung an das romantische Märchen von Adelbert von Chamisso, in dem der Hauptfigur der Schatten abhandenkommt. Das macht den Text phantastisch. Phantastisch im Sinne von zwischen der Realität und dem Wunderbaren stehend, ein Element, das in den Werken der Romantik fast immer Verwendung fand. Weiter heisst es auf der Seite 163: „mit weitausgespannten Flügeln von der goldenen Wolke herab über das nächtliche Land seiner Seele nach Hause in sein Herz“. Diese Zeilen erinnern stark an das Gedicht „Mondnacht“ des Romantikers Joseph von Eichendorff. Ich finde es sehr überraschend, dass diese wenigen Kapitel bereits reichen um die wichtigsten Merkmale der Romantik hervorzuheben. Da sind die Vormacht der Gefühle und der Fantasie und die Selbstreflexion, welche im Zentrum stehen. Das Wandermotiv und die Natur zur dienen zu deren Verdeutlichung. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, das Herr Süskind in die falsche Epoche hineingeboren wurde. Einzig seine Sprache müsste noch etwas verworrener sein und man könnte ihn glatt für einen Romantiker halten.

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Das Rezept eines Bestsellers Der 1985 erschienene Roman „Das Parfum“ von Patrick Süskind wurde in 46 Sprachen übersetzt und 15 Millionen Mal verkauft. In der deutschsprachigen Welt gibt es zwei Hörspielfassungen. Im Jahre 2006 wurde das Buch schliesslich verfilmt. So wie das Buch erntete auch der Film viel Applaus und wurde mit mehreren Filmpreisen ausgezeichnet. Neun Jahre lang stand der Roman ununterbrochen auf der Bestsellerliste des Spiegelmagazins, etwas, das bisher nur noch der Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque erreicht hatte. Ein Bestseller, doch was ist es, was diese Buch von den vielen anderen unterscheidet und so erfolgreich macht? Zunächst fällt auf, dass sich Süskind einer zwar hochstehenden, aber keineswegs hochgestochenen Sprache bedient. Auf moderne technische Mittel wie Vor- und Rückblende, innere Monologe und Perspektivewechsel hat er beinahe verzichtet, er schildert chronologisch auktorial, einzig unwichtige Geschehnisse werden vorweggenommen. Diese zwei Faktoren, der angemessene, treffende Sprachegebrauch und der unkomplexe Aufbau, verhelfen dem Buch zu einem guten Lesefluss und machen es für jedermann verständlich. Diese Verständlichkeit ist die Grundlage zum Erfolg, denn dadurch wird es überhaupt erst für die Masse zugänglich. Natürlich macht eine gute Struktur allein noch lange keinen Bestseller aus. Das Herz eines Buches ist und bleibt die Handlung. Der Roman erzählt die Selbstfindung von Jean-Baptiste Grenouille. Der Antagonist wird am allerstinkensten Ort der Welt geboren. Er selbst besitzt jedoch absolut keinen Eigengeruch, dafür aber einen umso besser ausgeprägten Geruchsinn. Später, als er sich bewusst wird, was Gerüche für Auswirkungen auf die Menschen haben, beschliesst er ein perfektes Parfum zu kreieren, mit dem er die Menschen beherrschen kann. Da seine Ingredienzien Düfte von Frauen sind, wird er zum Mörder. Süskind schildert also die Gratwanderung zwischen Genie und Wahnsinn. Ich denke dieses Thema übte schon immer grosse Faszination auf die Menschen aus und wahrscheinlich, wurden auch schon viele Bücher darüber verfasst, doch die Art und Weise, wie Süskind das Motiv verpackt, ist absolut mitreißend. Er spricht damit jeden an, vom Reiseromanleser (olfaktorische Beschreibung verschiedener Orte in Frankreich) über den Historiker (Leben im 18. Jahrhundert) und den Krimifreak (26 Morde) bis zum Erotiker (Orgie). In diesem Buch sind sämtliche Genres miteinander vereint, doch nicht nur das, Süskind wusste gekonnt intertextuelle Bezüge herzustellen und ineinander zu verflechten so zum Beispiel „Der Zauberlehrling“ (Zeit bei Baldini in vertauschten Rollen) oder „Der Froschkönig“(Grenouille). Wegen der oft verwendeten Intertextualität wird Süskind vorgeworfen, er schmücke sich mit fremden Federn. Ich meinerseits finde Werke mit Hintergründen spannend. Ich bewundere Menschen, wie Patrick Süskind, denen es gelingt verschiedene Aspekte einzubauen. Was er getan hat ist alles andere als billiges Kopieren. Deswegen finde ich die Kritik nicht angebracht. Ob man die Intertextualität nun mag oder nicht, sie gibt auf jeden Fall viel Diskussionsstoff. Im Gegenzug zu anderen Erzählungen, in denen viel Beschreibung, der Handlung den Schwung nimmt und schnell langweilt, ist hier die lebhafte, bildliche Beschreibung der Gerüche unentbehrlich, denn ohne das Bild der Düfte hat die Handlung etwas Zweitklassiges an sich. Der Grund dafür ist, dass mit dem Fehlen der Beschreibungen die Balance zwischen Seite 15

Grenouilles Genialität und seiner wahnsinnigem Handeln nicht mehr gewährleistet ist. Dies kommt im Film, der deswegen meiner Meinung nach stark an Brillanz verloren hat, zum Ausdruck: Grenouille wirkt absolut abstossend und die Geschichte besteht nur noch aus Mord, weil man seine Gedanken, seine Impressionen der Gerüche nicht mitbekommt. Der Autor hat mit der Beschreibung der Gerüche eine wahre Meisterleistung vollbracht und das flüchtige Reich der Gerüche fassbar gemacht. Der Grund, weshalb sich dieses Buch so gut verkauft hat, liegt wohl im Zusammenspiel der Faktoren: Der schlichte Aufbau, die Vermischung der Genres und alten Werken, die brillante Beschreibung und das faszinierende Motiv. Es sind nicht die einzelnen Komponenten in sich, sondern die vielen Komponenten in einem einzigen Buch vereint. Süskinds Werk ist vielfältig und spricht somit auch ein breites Publikum an.

Quellen: „Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders“ Patrick Süskind http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Parfum 1 Zitat: Die Bibel - Hoffnung für alle

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